#1 Für eine handvoll Gold
Es war ein milder Herbstabend, als ein junger Mann die Strasse entlang auf mich zu rannte. Nach frischer Luft schnappend, blieb er stehen und reichte mir eine Schriftrolle. Darauf prangte das Siegel des Jadekaisers. Ich erkannte es sofort wieder. Der Blick des Boten ruhte starr auf der Schriftrolle als er sagte, er müsse sofort meine Antwort darauf überbringen. Ich setzte mich auf den nahen Felsen und entrollte die Botschaft. Sie kam tatsächlich von meinem alten Freund aus dem Orient.
Er schrieb von einer uralten Macht, die sich aus den Tiefen des Wusao droht zu erheben. Sein Volk würde seit kurzer Zeit von riesigen Monstern terrorisiert und hat sich in die befestigten Städte und größeren Dörfer zurückgezogen. Seine Krieger kämpfen tapfer, doch sind sie zu schwach und zu wenige, um sich noch lange gegen diese Kreaturen wehren zu können. Die Herrscher der umliegenden Reiche berichten von ähnlichen Vorkommnissen und schicken ihre Streifkräfte in den Kampf. Doch die Monster sind in der Überzahl und es werden immer mehr. In seiner Verzweiflung schrieb der Jadekaiser nun diese Botschaft, in der Hoffnung, sie würde den weiten Weg in mein schönes Griechenland überstehen. Er erbittet meine Hilfe im Kampf gegen diese mysteriösen Mächte. Sofort nach der Abreise des Boten, werde er sich auf den Weg zum Jadepalast machen, um dort den Angriffen möglichst zu entgehen. Er werde dort auf meine Ankunft warten.
Ich las die Botschaft ein zweites Mal und gab sie danach dem Läufer wieder. Eigentlich hatte ich mich schon an die ruhigen Abende am Feuer gewöhnt. Mit 60 Jahren sollte man sich nicht mehr mit den Plagen des Alltags abgeben müssen. Jahrelang habe ich die Feinde zu tausenden und abertausenden erschlagen und in die Flucht getrieben. Doch nun holt mich der Erfolg meiner vergangenen Tage wieder ein.
Ehrlich gesagt fehlt zurzeit auch irgendwie etwas. Eine gewisse Leere lässt sich nicht abstreiten. Neulich hatte ich sogar überlegt, den Garten wieder auf Vordermann zu bringen. Der Händler im Dorf hatte wirklich ein paar schöne Rosen. Vielleicht bringt mich das vertraute Geräusch von knackenden Knochen und röchelnden Kehlen auf andere Gedanken. Ein bisschen Abwechslung kann jedenfalls nicht schaden.
Ich erhob mich von dem Felsen, nickte dem Boten zu und machte mich auf den Weg nach Hause. Ein paar Dinge waren noch zu erledigen, bevor es wieder losging. Die Sonne war bereits hinterm Horizont verschwunden und überlies der Nacht ihren Platz. Ein vertrautes Gefühl durchströmte mich. Im Dunkeln war es immer viel berauschender, in den Kampf zu ziehen.
Was der Jadekaiser wohl dieses Mal als Belohnung für mich hat. Bloß kein Gold, davon habe ich inzwischen schon den ganzen Keller voll. Für den letzten Gefallen überließ er mir ein durchaus mächtiges Amulett. Sein Wert dürfte wohl den des Dorfes bei weitem übersteigen. Wo habe ich es eigentlich hingelegt? Am besten schaue ich erstmal nach den Rüstungen. Bei den zahlreichen Trophäen und Eroberungen aus den vergangenen Beutezügen sollte sich schon etwas Brauchbares finden lassen.
#2 Zwei frostige Halunken
Erst ein lautes Knarren und danach verdunkelte sich der Raum. Staub füllte meine Lungen und irgendetwas Schweres fiel direkt vor meine Füße. Ich hätte schon lange die ganzen alten Rüstungen verkaufen sollen. Aber selbst der Dorfschmied wollte sie nicht.
Nach kurzem Suchen fand ich sie. Zwei alte Äxte, die mir einst die reizende Persephone überließ, dafür dass ich sie aus den Fängen des Herrn der Unterwelt gerettet hatte. Ein wenig stumpf und staubig sahen sie aus. Unterwegs werde ich wohl unbedingt noch einmal bei einem Waffenschmied halt machen müssen. Die alten Stiefel dagegen, die einst einem Dämonenhelden gehörten, glänzten wie damals, als ich sie ihrem Träger von den toten Füßen zog. Was brauche ich noch? Die Kälte im Hochland konnte einem noch so zähen Krieger den Rest geben. Also nehme ich am besten etwas Robustes mit. Der Kürass, den mir der etruskische Fürst als Lohn vermachte, sollte für den Anfang reichen. Ansonsten nur leichtes Gepäck, schließlich ist Eile geboten. Die grünlich schimmernden Ringe, die ein guter Freund einst in Elysion gekauft hat und sie nach seinem Ruhestand in meine Obhut übergab, dürften für die kommenden Aufgaben genau das Richtige sein.
Wenig später trat ich auf die Strasse hinaus. Ich schloss die Augen und genoss ein letztes Mal den lieblichen Duft der Heimat. Ich würde sie ein letztes Mal verlassen, um ein weiteres Mal in den Krieg zu ziehen. Ich nahm eine Axt in jede Hand und ging in Richtung Dorf. Das kleine blaue Energiebündel folgte mir schwebend. Es war einfach nicht klein zu kriegen. Ein Magier in Memphis hatte mir vor langer Zeit dieses merkwürdige Wesen zum Geschenk gemacht. Zusammen mit einer magischen Formel, womit ich es jederzeit herbei beschwören konnte. Vor allem in den dunklen Abendstunden war die kleine Leuchtkugel ganz gut zu gebrauchen, schließlich sind meine Augen auch nicht mehr die besten.
Das weckt Erinnerungen. Das dort draußen ist eine hässliche Welt, voller Unheil und Ungerechtigkeit, so war sie schon immer. Aber ich ertrage es nicht länger mein geliebtes Land so zu sehen, heimgesucht von bizarren Kreaturen. Wenn man dem Dorftratsch Glauben schenken darf, gibt es bereits hierzulande merkwürdige Vorkommnisse, die die Leute in Angst und Schrecken versetzen. Um das Land zu schützen, braucht es eines wahrhaft legendären Kriegers. Wo war dieser Odysseus eigentlich abgeblieben, wenn man ihn mal braucht? Vermutlich hatte er sich wieder verfahren. Bei den Segelkenntnissen und einem noch schlechteren Orientierungssinn kein Wunder.
Am Horizont erblickte ich schon die Dorfwächter, als mich plötzlich ein stechender Schmerz inne halten ließ. Er zog den Rücken hinunter und in alle Glieder. Ich hätte mich wohl doch besser vorher aufwärmen sollen. Also noch mal zurück. Ich glaube ein wenig Wundsalbe dürfte noch im Schrank liegen. Am besten packe ich auch gleich den Kräutertee aus Zidan mit ein. Der komische alte Kauz, der mir ein Päckchen mit auf den Weg gab, meinte, er sei schon über hundert Jahre alt – dank dem wundersamen Gewächs natürlich. Irgendwie muss man es in heißes Wasser tun, wenn ich mich recht erinnere. In der Tasche wird sich schon noch ein Plätzchen finden.

#3 Vom Eiswinde verweht
Das darf doch nicht war sein. Ich dachte, dass ich diesen gehörnten Rumtreibern das letzte Mal unmissverständlich klar gemacht habe, was sie erwartet, wenn sie sich hier noch mal blicken lassen. Jetzt lagern die hier schon wieder. Von Helos bis Sparta nichts als Satyrn. Manche schienen besonders ausgefallen zu sein, was Stärke und Fähigkeiten anging. Aber sie hätten besser nie einen Huf in dieses Land gesetzt. Nett dass sie mir schon ein prächtiges Feuer vorbereitet haben. Ich kann für meine Reise noch ein wenig Proviant gebrauchen und Räucherware hält sich bekanntlich länger.
Es war recht aufschlussreich, als ich mit Leonidas, meinem tapferen spartanischen Kameraden, über die alten und neuen Zeiten plauderte. Er schien auch alle Hände voll zu tun zu haben. Seine Männer schlachteten da Weile die Satyrn und wilden Schweine, die sich zu nahe an ihre Zelte wagten. Er sagte, im nahen Megara würden die Menschen Hilfe brauchen, aber er könne keinen seiner Männer entbehren. Ich versprach dort nach dem Rechten zu sehen und machte mich auf den Weg zur Küste. Unterwegs schienen ein paar Zentauren nicht recht zu wissen, wer da ihren Weg kreuzt. Welch ein Glücksfall. Pferdefleisch ist um einiges schmackhafter als diese faden Satyrnüberreste.
Nach einem langen, barfüßigen Strandspaziergang, wo Wasser und Blut meine rauen Füße umspülten, traf ich am Mittag in der Hafenstadt ein. Der Dorfälteste und die Bewohner klagten reihenweise über irgendwelche Probleme. Da schien mir der Diebstahl der drei Bälle des Marktjongleurs noch am interessantesten. Ich füllte meine Feldflaschen beim örtlichen Händler und setze meinen Weg Richtung Athen fort.
Ich traute meinen Augen kaum, als ich wenig später im Wald zur alten, immer noch zerstörten Brücke kam. Die Leute hier scheinen ihre Zeit lieber mit einer großen Flasche Ouzo zu verbringen, anstatt endlich mal die Brücke zu reparieren. Oder die ständigen Angriffe dieser Monster halten sie davon ab. Wohl eher ersteres. Die Bauarbeiter, die sich schnell eine Rüstung übergeworfen hatten, erzählten mir wieder die Geschichte von einem Zyklopen, der für die zerstörte Brücke verantwortlich sei. Das kann schon sein, nur hatte ich dieser hässlichen Kreaturen bei meiner letzten Reise schon den Kopf abgeschlagen. Scheinbar sind diese Halunken sogar so faul, sich nicht mal eine neue Ausrede auszudenken. Na ja, was soll’s. Ich konzentrierte mich einen Moment und ließ einen Schauer aus Eissplittern auf den Fluss niederregnen. Ich sputete mich und schritt flink über den nun teilweise zugefrorenen Fluss.
Auf der anderen Seite angekommen, versuchte ich mich zu erinnern, ob die Höhle zu meiner Linken eine Erkundung lohnen würde. Ich hatte irgendwie so ein Zischen im Ohr, aber mir fiel beim besten Willen nicht ein, woher das plötzlich kam. Irgendwo hinter der Höhle lag Delphi, mit seinem sagenumwobenen Orakel. Ein wenig Zuversicht und einen tiefen Atemzug der betörenden Düfte hätte ich jetzt gut gebrauchen können. Meinen alten Knochen täte ein erholsames Heilbad sicherlich gut. Dazu die weißen Gewänder der Priesterinnen, wenn sie den nächsten Aufguss vorbereiteten. Aber ich hatte es eilig und für Altenpflege war später noch Zeit. Also weiter geht’s nach Athen, der blühenden griechischen Metropole.
#4 Leichen pflastern seinen eisigen Weg
Trübes Wasser tropfte von meinen Stiefeln, als ich durch die Sümpfe watete. Modernde Pflanzenreste und verwesende Körper erschwerten das Vorankommen. Auf der Suche nach den verirrten Soldaten kam ich nur schwer voran. Nicht zu fassen, dass sich die Männer schon wieder verlaufen hatten. Es hätte mich nicht gewundert, wenn Odysseus darunter gewesen wäre.
Als ich sie schließlich hinter ein paar toten Bäumen erspäht hatte, spürte ich auf einmal eine Erschütterung. Kleinere Wellen brandeten an meine Stiefel und die Sonne verfinsterte sich. Ich hatte ein ungutes Gefühl und wollte schon nach meinen Äxten greifen, doch meine Instinkte waren schneller. Geschickt sprang ich zur Seite, als sich der riesige Kopf einer Bestie in den Moorschlamm bohrte, genau dort, wo ich zuvor noch gestanden hatte. Mit eiskalter Routine machte ich mich zum Kampf bereit und schoss bereits die ersten Eissplitter auf das Monster ab, bevor es sich herumdrehen konnte. Doch diese mehrköpfige Bestie schien fast völlig unbeeindruckt und ließ einen Feuerregen auf mich niedergehen.
Was war hier nur los? Ich musste schon früher die kopflos umherwandernden Soldaten aus dem Sumpf befreien. Niemals aber trieb sich so etwas Gigantisches hier herum. Im Nachhinein vermute ich, dass es sich um die legendäre Hydra gehandelt hat. Die zahlreichen Köpfe schienen ein sicheres Detail zu sein. Ich hatte lange nicht mehr einen so zähen Gegner gehabt und je länger der Kampf dauerte, umso entschlossener und wilder wurde ich. Am Ende lag der massige Leib wie ein kleiner Berg vor mir und der Gestank aus den toten Mäulern ließ sogar die Würmer sich noch tiefer in den Schlamm graben.
Nach dieser Begegnung schlug ich mich weiter Richtung Athen durch. Die Monster hatten, wie in den alten Tagen, ihre Lager vor der Stadt errichtet. Vereinzelt kämpfende Soldaten hatten kaum eine Chance gegen die Überzahl an Feinden. Ich mähte gerade ein paar heranstürmende Zentauren um, als sich plötzlich abermals die Sonne verdunkelte. Doch dieses Mal wurde es mir völlig schwarz vor Augen. Kurz darauf sah ich einen Lichtschimmer die Dunkelheit verdrängen. Ein leichtes Plätschern drang an mein Ohr. Als ich mich aufraffte, stand ich neben einem Brunnen. Hier war ich doch erst Augenblicke zuvor vorbeigekommen, dachte ich mir. Welch mächtiger Zauber war hier am Werk?
Die Antwort kannte ich natürlich. Seit meinen Kindertagen hatte sich die Welt weiterbewegt und diese Zeitsprünge gehörten dazu. Man wachte irgendwann mit leichten Kopfschmerzen und oft um ein paar Narben reicher wieder auf. Ansonsten schienen diese temporalen Anomalien nicht das Werk einer höheren Macht zu sein. Ich hatte mich mittlerweile schon daran gewöhnt, auch wenn der letzte Zeitsprung schon eine Ewigkeit her zu seien schien. Ich straffte meine Rüstung und machte ich mich wieder auf den Weg.
Schließlich konnte ich die brennenden Häuser und herumliegenden Leichen hinter mir lassen und stand am späten Abend vor den großen Toren der Stadt. Leonidas war inzwischen auch zu diesem Schlachtfeld gekommen und bereitete seine Männer für einen Gegenangriff vor. Er erzählte mir von einer Invasion auf der Insel Knossos, doch hatte er hier noch alle Hände voll zu tun. Wieder einmal griff ich ihm unter die Arme und versprach mich mit dem nächsten Schiff übersetzen zu lassen. Dies würde am nächsten Morgen ablegen, also hatte ich wenigstens eine erholsame Nacht vor mir.
#0 Der Mann, den sie Tithan nannten
Neulich war ich auf dem Weg nach Sparta. Jede Menge Bestien und Tiermenschen treiben sich vor den Toren von Helos herum, kann ich euch sagen. Nur gut, dass ich bereits ein Schwert mit reichlich Lebensentzug gefunden habe. Da können die Monster ruhig kommen. Als ich noch vor der ersten Höhle auf einen Satyr-Schläger traf, wurde aber trotzdem schon mein ganzes bisheriges Kampfrepertoire benötigt.
Wenig später fand ich einen Erfahrungsschrein, der mir ganz recht kam, versuchte ich doch so schnell wie möglich mich auf der Heldenleiter nach oben zu kämpfen. Doch kurz dahinter lauerten auch schon mehrere Satyr-Schläger, um sich auf mich zu stürzen. Mir blieb nur der gestaffelte Rückzug übrig. Ganze 3 Satyr-Schläger hefteten sich an meine Fersen. Von der zusätzlichen Erfahrung in diesem Moment hatte ich natürlich nicht viel. Kurz nachdem ich den ersten der drei Ungetüme erschlagen hatte, war die Wirkung des Schreins auch schon wieder verflogen. Und weil ein Übel nicht allein kommt, traf ich anschließend auch noch auf Kriegsanführer Paphos – einen Satyr-Schläger-Held. Mühsam und langwierig kämpfte ich mit ihm. Doch kurz vor dem sicheren Sieg hob er plötzlich seinen Arm und sprach einen Zauber. Verwundert ob dieses Ereignisses staunte ich noch mehr, als ich seine wieder vollständig genese Gesundheit betrachtete. Nach einem kurzen strategischen Rückzug nach Helos, wo ich mir Nachschub an Lebenstränken besorgte, nahm ich den Kampf wieder auf. In der zweiten Runde verzichtete Paphos aber darauf, sich schnell zu erholen, sodass ich ihn am Ende doch besiegen konnte.
Nachdem die Medizinprobleme schnell gelöst werden konnten, machte ich mich auf nach Sparta. Zu den Bestien gesellten sich nun auch noch Dämonen, die jedoch um einiges harmloser waren. So war es kein Problem sie aus einer Höhle zu vertreiben. Dort fand ich sogar eine wertvolle Halskette. Leider traf ich unterwegs den Besitzer und kam meiner Pflicht als ehrlicher Finder nach. Wer ein großer Held werden will, muss schließlich allerlei Gutes tun.
Kurz vor Sparta stieß ich schließlich auf eine Horde monströser Wildschweine angeführt von ihrem kalydonischen Vetter. Ich weiß nicht, was für Gras oder Tiere die hier fressen, aber scheinbar fördert es das Wachstum im Allgemeinen und insbesondere der Haare. Bis ich jedes einzelne dieser zotteligen Wesen erlegt hatte, war die Sonne schon fast untergegangen. Letztlich traf ich dennoch pünktlich zum Abendmahl in Sparta ein und wurde sogleich von einem Soldaten begrüßt. Im Hintergrund stand Leonidas, der große spartanische Heerführer, vor seinem Zelt und beobachtete mich. Hat er vielleicht mein verborgenes Talent entdeckt, ein glorreicher Krieger Griechenlands zu werden? Scheinbar schon, denn seine Wache gibt mir den Auftrag, einen mächtigen Zentaur hier in der Gegend zu erledigen. Genau der richtige Job für eine zukünftige Sagengestalt wie mich. Also hieß es auf in den Kampf. Nessus hieß der gute und war wirklich eine imposante Erscheinung. Kopf an Kopf, Klinge an Klinge. Es ging heiß her. Doch was soll ich sagen. Am Ende hatte auch er meinem Vorrat an Lebenstränken nicht viel entgegen zu setzen. Vielleicht sollten diese Tiermenschen auch mal den hiesigen Händler aufsuchen.
Nun führte mich der Weg weiter in Richtung Megara, wo mein nächster Auftraggeber auf mich warten sollte. Ich will euch hier nicht mit den vielen blutrünstigen, lebensbedrohlichen und atemberaubenden Kämpfen meinerseits langweilen, auch wenn ihr das gern hören würdet. Vielleicht ein andermal. Es sei nur erwähnt, dass ich kurz nach dem Verlassen des spartanischen Kriegslagers auf weitere Zentauren gestoßen bin. Weil diese sich gern mit den Wildschweinen zusammentun, hatte ich mitunter schon einige Mühe. Lohn gab es dafür trotzdem, denn einer der Zentauren schenkte mir seinen Fallenstellerspeer, wenn auch nicht ganz freiwillig. Mit dieser grandiosen Waffe blühte ich regelrecht auf und fegte die nachkommenden Monsterscharen dahin zurück, wo sie hergekommen waren.
Unterwegs machte ich kurz Rast in einem Dörfchen namens Tegea. Nicht sonderlich beschaulich ist es da, kann ich euch sagen. Rund herum nur Wesen, die man lieber nicht als Nachbarn haben möchte. Seien es nun Satyre, riesige Spinnen oder gar Zombies. Doch man höre und staune auch Nymphen gibt es in der Nähe. Auf eine wirklich bezaubernde bin ich kurz vor einer Spinnenhöhle getroffen. Ihre Schönheit war einfach umwerfend und so konnte ich ihren Wunsch nicht ablehnen, in der Höhle mal nach dem Rechten zu sehen. In welche Schwierigkeiten uns die Frauen doch immer wieder bringen, nicht wahr? Ich werde diese Höhle nie wieder vergessen. Ich nenne sie nur noch die Höhle des Todes. Unzählige lilafarbene Monster stürzen sich auf mich und obwohl ich nicht unter Arachnophobie leide, bekam ich es schon mit der Angst zu tun. Einige der achtbeinigen Ungeheuer schleuderten Netze auf mich, sodass ich den vielen Fernangriffen schutzlos ausgeliefert war. Ich tat wirklich mein Bestes und kämpfte wie ein Löwe, ihr könnt mir glauben. Ich nutzte sämtliche mir bekannten Zauber, doch es half alles nichts. Nach einem langen und erbitterten Kampf ereilte mich mein Schicksal und ich lag geschlagen am Boden.
Als ich kurz darauf neben dem Händler in Tegea wieder zu mir kam, dachte ich zuerst an eine Sinnestäuschung oder einen Traum. Doch die Ereignisse schienen so real. Das konnte kein Traum gewesen sein. Die erschlagenen Monster auf dem Weg zurück in die Höhle bestätigten meine Vorahnung. Irgendeine höhere Macht schien hier am Werke zu sein. Hoffentlich stehe ich unter einem guten Stern.
#5 Spiel mir das Lied vom Kältetod
Hin und her schaukelte das Schiff, mit dem ich nach Knossos übersetzte. Eigentlich wollte ich mich von dem Schrecken in den Katakomben von Athen erholen, aber bei diesem Wetter war nicht daran zu denken. Im Tosen des Windes hörte ich Poseidons Stimme, doch auch er konnte uns nicht aufhalten, sodass der Kapitän mich wenig später am Strand der Insel absetzte.
Als ich mit den Leuten im Dorf sprach, erzählte ich ihnen von meiner Begegnung mit Toxeus in den dunklen Gängen unter Athen. Einige schienen beunruhigt, denn auch hier trieben sich so manche Kreaturen herum. Besonders das Labyrinth und der Minotaurus versetzten sie in Schrecken. Ich kaufte beim Markthändler noch ein paar Kleinigkeiten und machte mich auf den Weg, das Übel zu vertreiben. Einen Schrecken konnte man nur durch einen noch größeren Schrecken besiegen. Der Minotaurus sollte alle Wolle zusammen nehmen, die er in seinem Irrgarten fand und sich warm anziehen.
Nach einem kleinen Zeitsprung an einem Wasserfall drang ich bis vor die Tore des Labyrinths vor. Jede Menge Blech und Altmetall hätten jeden Baumeister glücklich gemacht, der hier vorbei gekommen wäre. Eine riesige quietschende Maschine war besonders versessen darauf, recycelt zu werden. Ich schoss so viele Eissplitter auf sie ab, bis sie sich vor lauter zugefrorenen Scharnieren überhaupt nicht mehr bewegen konnte. Für Spielereien hatte ich zwar eigentlich keine Zeit, aber die Eisskulptur war mir doch recht gut gelungen.
Bei meiner Abreise hatte ich an fast alles gedacht. Aber ich hätte mir auch den Plan vom Labyrinth einpacken sollen. Das letzte Mal hatte ich mir so eine Mühe gegeben, alles genau zu erkunden und nun wusste ich schon wieder nicht, wo es lang ging. Ich fragte ein paar Gorgonen nach dem Weg, aber die schienen selbst desorientiert zu sein. So rannte ich also kreuz und quer die Irrwege entlang. Ganze 100mal probierte ich mein Glück an einem Brunnen nahe den Gorgonen, doch irgendwie lief ich immer in die falsche Richtung. Zwar konnte ich ein paar sehr schöne Armschienen zwischen den toten Schlangen finden, doch eine Karte war selbst in den Kisten nicht drin.
Also vertrieb ich mir die Zeit und schaute welche Sachen denn zu meinen neuen Armschienen passen könnten. Ich fand einen muffigen Brustpanzer, den ein Kamerad einst einem Froschkrieger abgenommen hatte. Nicht der allerneuste Schrei, aber was will man als Veteran schon machen. Man ist der Mode immer einen Schritt hinterher. Als ich mein neues Erscheinungsbild kurz darauf ein paar Ratten präsentieren wollte – ich weiß, als ob die so etwas zu schätzen wüssten – waren sie doch recht sprachlos. Dabei fiel mir auf, dass ich diese Ecke noch gar nicht erkundet hatte.
Schließlich traf ich auf den Minotaurus. Nach einem kurzen Disput über die neuesten Trends und dem Hinweis auf die durchaus scharfe Kante meiner Axt, lag er auch schon auf dem steinernen Boden. Im Hinterzimmer versuchte ein Telkine schon wieder den Himmelskanal zu zerstören. Dabei war der schon seit über 40 Jahren hinüber. Wirklich nicht der hellste der Bursche. Ich erlöste ihn von seinem Leiden und verließ den Irrgarten. Am nahen Kai fand ich auch gleich den gesuchten Bootsmann. Ich grüßte ihn und bat, mich erneut nach Rhakotis mitzunehmen. Was mich schon wieder dort hinführte, wollte er wissen. Die Sonne, der Sand und die schönen Frauen antwortete ich. Der Bootsmann erwiderte, ich sei schon lange nicht mehr da gewesen. Recht hatte er.
#6 In Memphis ist der Teufel los
Die Sonne stand hoch am Himmel als ich vor die Tore der Hafenstadt Rhakotis trat. Dieser Teil meiner Reise zum Jadepalast war schon in der Vergangenheit stets der angenehmste. Ich kannte da ein paar ägyptische Schönheiten, die einem die langen Strapazen durch die endlosen Wüsten vergessen machen konnten. Hier schien aber nun einiges durcheinander geraten zu sein, jedenfalls lag kaum noch ein Stein auf dem anderen.
Egal ob ich die Siedlungen vor der Stadt, die angrenzende Bibliothek oder die Flussufer des Nils durchquerte, überall lungerten diese Kreaturen herum. Die Wüstenkarawanen und die anderen Bewohner schienen sich der Übermacht an Monstern nicht erwehren zu können. Also tat ich wieder einmal mein Bestes. Hyänenfleisch sollte man übrigens wirklich nur im äußersten Notfall verzehren oder wenn man jede Rückkehr zu menschlichen Geschmäckern von vorn herein ausschließt. Krokodil frisch vom Feuer stellt dagegen schon gehobenen Genuss dar.
Rund um Memphis war dann wirklich der Teufel los. Arme Bettler, schluchzende Frauen und verzweifelte Hohepriester. Wie immer musste ich meine Reise für ein paar kurze humanitäre Einsätze unterbrechen. Als ich in einer nahen Pyramide in den Sarkophagen nach einem vermissten Stab suchte, stand ich auf einmal in einer riesigen Giftwolke. Ich nahm einen tiefen Zug, schüttelte mich kurz und setzte dann meine Suche fort. Gegen meine vitalen Regenerationskräfte war kein noch so giftiges Gas gewachsen.
Nachdem ich erfolgreich und ohne weitere Zwischenfälle zur Oase Fayum gelaufen war, brachte ich dem senilen Zollmeister von Memphis die gewünschte Gebühr. Er öffnete zufrieden die großen Tore in Richtung Theben, woraufhin ich meinen Weg fortsetzte. Es war eigentlich wie schon zu meiner Jugendzeit: Man traf jede Menge riesige Monster. Aber trotzdem war es gefährlicher sich nachts in der Wüste einen Schnupfen zu holen, als sich mit diesen Zeitgenossen anzulegen. Und auch hier gilt schließlich: Je größer die Scheibe, umso mehr Eissplitter finden ihr Ziel.
Die Sonne hatte meine Haut mittlerweile wieder zur alten, kräftigen Färbung verholfen, sodass ich kaum von den Einheimischen zu unterscheiden war. In den dunklen Gräbern und Grüften im Tal der Könige war es ebenfalls von Vorteil, sich wie ein Schatten an die herumlungernden Dämonen und Skelette anzuschleichen. So kam ich beinahe unerkannt bis zur Grabkammer, wo sich der Telkine versteckte. Der wollte mir doch glatt einen noch heftigeren Sonnenbrand verpassen. Doch lies er sich von mir davon überzeugen, dass es manchmal besser ist, einen eisgekühlten Kopf zu behalten.
Meine frostigen Fähigkeiten machten den kurzen Aufenthalt in Ägypten tagsüber sehr angenehm und nachts konnte man sich mit den Ahnenkriegern gegenseitig wärmen und alte Geschichten austauschen. Ich verabschiedete mich vom alten Zollmeister, der mir sogar bis Theben gefolgt war. Nachdem ich das Portal nach Babylon durchschritten hatte, war ich meinem Ziel wieder ein gutes Stück näher. Ich fragte mich, ob ich es noch rechtzeitig zum Kaiser schaffen sollte?
